|
16.04.99
Totalverweigerer in Potsdam arretiert:
Seit drei Wochen in Arrest
Wenige Tage nachdem das Potsdamer Landgericht ein Verfahren
gegen einen Totalverweigerer überraschend ausgesetzt und
an das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe verwiesen hat, wurde
ein anderer Totalverweigerer in Disziplinararrest genommen. Während
Volker Wiedersberg jubelte, weil das Potsdamer Landgericht Mitte
März sein Verfahren mit der Begründung ausgesetzt hatte,
die Wehrpflicht sei wegen der veränderten geopolitischen
Lage ein "nicht mehr verhältnismäßiger Grundrechtsbegriff",
sitzt der Totalverweigerer Olaf Szczepanski aus Berlin seit drei
Wochen in Disziplinararrest.
Weil der 22jährige dem Einberufungsbefehl in die "Märkische
Kaserne" zum 4. Januar nicht gefolgt war, wurde er am 22.
März bei seiner Mutter von Feldjägern aufgegriffen.
Seitdem hat das Truppendienstgericht mehrere Disziplinararreste
gegen ihn verhängt, die er in der Havelland-Kaserne in Potsdam
absitzen muß. "Szczepanski, der mit seinem Verhalten
offensiv gegen die Wehrpfllicht vorgehen will, lehnt jeden Kriegsdienst,
also auch den Zivildienst ab", teilt die Kampagne gegen Wehrpflicht,
Zwangsdienste und Militär mit. "Er protestiert gegen
den Zwangsdienst, indem er die Ausführung jeglicher Befehle
verweigert", hieß es weiter. Ihm drohen bis zu fünf
Jahre Haft.
Christian Frey, zuständig für die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
des Panzerartilleriebataillon 425, sagte gegenüber der taz,
daß sich an der Verfahrensweise im Umgang mit Totalverweigerern
nichts geändert habe. Der Beschluß des Potsdamer Landgerichts
sei ihm "gänzlich neu", so der Oberstleutnant.
Nach Angaben der Kampagne gegen Wehrpflicht hat der Chef der Kaserne
die Arretierung von Szczepanski als "Abschrekkungsmaßnahme"
bezeichnet. Die Kampagne will am Samstag um 13.00 Uhr vor der
Havelland-Kaserne gegen "die Wegsperrpraxis der Bundeswehr"
protestieren.
(taz)
Die Weitergabe der Texte ist unter Hinweis auf die
Quelle OHNE UNS und gegen Belegexemplar erwünscht.
|