10.04.99
Trierischer Volksfreund, 10. April 99:
Gegen den Kriegsdienst in der Tuerkei
Kurdische und tuerkische Maenner organisieren aus Gewissensgründen
eine Anti-Kriegs-Bewegung
Von unserem Mitarbeiter THOMAS GEISEN
TRIER. Aus Gewissensgründen verweigern 20 türkische
und kurdische Männer aus Rheinland-Pfalz, dem Saarland und
anderen Bundesländern den Kriegsdienst in der Türkei.
Dies teilten sie dem türkischen Generalkonsulat in Frankfurt
mit. Bei ihrer Aktion werden die
Verweigerer von der Aktion Dritte Welt Saar in Losheim (Kreis
Merzig-Wadern) unterstützt. Einige der Kriegsdienstverweigerer
sind selbst Mitglied in der Organisation, die sich für die
Wahrung der Menschenrechte und für Gerechtigkeit in den Ländern
der sogenannten Dritten Welt einsetzt.
Unter den Kriegsdienstverweigerern befindet sich Vezir Duez.
Der 25jährige Kurde lebt zur Zeit in Schillingen (Kreis Trier-Saarburg);
in der Türkei wird er als Deserteur gesucht. "Ich wollte
erst gar nicht zum Militär, aber man hat mich verhaftet und
zum Militärdienst gezwungen«, berichtet Duez.
Statt einer Ausbildung gab es Schläge Die Grundausbildung
erhielt er in Sivas, einer kurdischen Stadt: "Es war sehr
hart, insbesondere für uns Kurden. Aber wir hatten keine
andere Möglichkeit. Statt eine Ausbildung zu erhalten, wurden
wir täglich beschimpft und geschlagen."
Als seine Einheit auf einen Einsatz in den kurdischen Gebieten
vorbereitet wurde, entschloß sich Vezir Duez zur Flucht.
"Neun Tage vor der Verlegung habe ich bei einer Übung
im Wald meine Waffe versteckt und bin weggelaufen«, erzählt
er. Unterschlupf fand Duez zunächst bei Verwandten in Istanbul.
Doch als man ihn auch dort suchte, mußte er
die Türkei verlassen und kam nach Deutschland; hier läuft
zur Zeit sein Asylantrag.
Abdullah Oruem (25) kommt aus der Nähe von Cizre, aus
dem türkischen Grenzgebiet zu Syrien, Irak und Iran. Er wuchs
im Krieg der Türkei gegen die Kurden auf. So erlebte er beispielsweise
mit, wie das türkische Militaer 1992 das kurdische Newroz-Fest
in Cizre
"auflöste" und dabei mit Panzern in die Menge fuhr.
In dieser Region wurde ein gefangener Guerilliakämpfer von
den Militärs an einen Panzer gebunden und zu Tode geschleift.
"Ich bin gegen diese Barbarei, ich will mich nicht an
solchem Handwerk beteiligen und bin deswegen gegen das Militär",
unterstreicht Abdullah Oeruem. Weil er half, drei Guerilliakämpfer
zu beerdigen, die Selbstmord begangen hatten, als sie vom türkischen
Militär in seinem Dorf eingekesselt worden waren, befürchtete
er, nunmehr selbst ins Visir
der Sicherheitskräfte geraten zu sein und floh. Er schaffte
es, nach Deutschland zu kommen. Heute lebt er in im saarlaendischen
Dillingen; sein Asylverfahren läuft noch.
Eine Verweigerung des Kriegsdienstes gilt in der Türkei
als Versuch, "das Volk vom Militär zu distanzieren und
die Willenskraft der Nation zu schwächen". Sie wird
laut Artikel 155 des Strafgesetzbuches mit hohen Haftstrafen geahndet.
Die Möglichkeit für junge Männer, den
Militärdienst zu verweigern gibt es nicht.
Aber den Verweigerern geht es nicht nur um ihr persönliches
Schicksal, sie wollen sich mit ihrer Aktion auch für eine
generelle Beilegung und um eine friedliche Lösung der Konflikte
in Kurdistan einsetzen.
Emrullah Oezdemir skizziert die erschreckenden Ausmasse, die
der Krieg bislang erreicht hat: "Der Krieg hat mittlerweile
50 000 Menschenleben gekostet, und in 15 Jahren wurden 4000 Dörfer
zerstört."
Im Namen der Verweigerer fordert Oezdemir daher die Verankerung
des Rechts auf Kriegsdienstverweigerung in der türkischen
Verfassung. Die jungen Männer wollen ihre Aktion in den folgenden
Wochen und Monaten fortsetzen und weitere Unterstützer finden.
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