25.03.99

Landgericht Potsdam: Wehrpflicht verfassungswidrig


Das Potsdamer Landgericht hat heute im Prozeß gegen den Totalen Kriegsdienstverweigerer Volker Wiedersberg das Verfahren ausgesetzt. Der Richter folgte dem Antrag des Angeklagten und seines Verteidigers Wolfgang Kaleck, die Verfassungsmäßigkeit der Wehrpflicht zu überprüfen.

Nach Ansicht der Strafkammer unter Vorsitz von Richter Braunsdorf ist die Wehrpflicht ein unverhältnismäßiger Eingriff in die persönliche Handlungsfreiheit des Wehrpflichtigen und daher verfassungswidrig. Weil die Sicherheitslage der Bundesrepublik seit 1989 das Festhalten an der Wehrpflicht nicht mehr erfordere, seien die mit ihr verbundenen Eingriffe in die Persönlichkeit nicht mehr mit dem Grundgesetz in Einklang zu bringen. Das Landgericht Potsdam wird nun vom Bundesverfassungsgericht eine Überprüfung dieser Frage vornehmen lassen.

Die Wehrpflicht schränkt die Grundrechte der körperlichen Unversehrtheit, der Freiheit der Person, der Freizügigkeit und der Unverletzlichkeit der Wohnung ein. Dies könne nur gerechtfertigt werden, wenn eine Wehrpflichtarmee für die militärische Verteidigung der Bundesrepublik unerläßlich ist. Das ist in der gegenwärtigen sicherheitspolitischen Situation jedoch nicht der Fall.

Dieser Beschluß wird sich nicht nur auf Verfahren gegen Totale Kriegsdienstverweigerer auswirken, sondern auch auf die Diskussion um den Fortbestand der Wehrpflicht in der Bundesrepublik. Das Landgericht Potsdam erweist sich als fortschrittlicher als die rot-grüne Bundesregierung, die bisher zwanghaft an der Wehrpflicht festhält.

Der Totale Kriegsdienstverweigerer Volker Wiedersberg wurde in erster Instanz im Mai 1998 wegen Dienstflucht vom Zivildienst zu einer Geldstrafe verurteilt, wogegen er Berufung einlegte. Der heute 30 Jahre alte Jurastudent verweigerte bereits in der DDR den Waffendienst und den Dienst als Bausoldat. Den Zivildienst in der BRD trat er nicht an, weil Kriegsdienstverweigerer im Verteidigungsfall zu kriegsunterstützenden Einsätzen verpflichtet werden können. Diese Aussagen bewertete das Amtsgericht als offenkundige Tatsachenbehauptungen.


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