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25.01.99
Doppelbestrafungsprozes gegen Totalverweigerer:
Verfahren eingestellt wegen Verbots der Doppelbestrafung gemäß
Artikel 103 III GG
Frankfurt/M. Am 25. Januar 1999 wurde am Amtsgericht Frankfurt
am Main das Strafverfahren gegen den Totalen Kriegsdienstverweigerer
Torsten Froese (28) wegen des Verbots der Doppelbestrafung (Art.
103 Abs. 3 GG) eingestellt. (Az.: 980 Ds 1009/97, 702/72 Js 10308.5/96).
Froese war bereits 1993 zu einer Bewahrungsstrafe von drei Monaten
verurteilt worden, anschliesend wiederum zum Zivildienst einberufen
worden.
Im Juni 1998 war ein erster Anlauf des Doppelbestrafungsverfahrens
gescheitert, weil Richterin Mickerts keinen Antrag auf Zulassung
eines Verteidigers stellen und anschliesend den Angeklagten fur
16 Tage inhaftieren lies, als dieser vor dem Verhandlungssaal
einen Befangenheitsantrag formulieren wollte. Fur diese Zeit der
rechtswidrigen Inhaftierung soll Froese nun Haftentschadigung
erhalten.
In der neu angesetzten Hauptverhandlung am Montag, dem 25.01.99,
stellte Detlev Beutner zunachst den Antrag auf Zulassung als Verteidiger
(s 138 Abs. 2 StPO). Diesem wurde nunmehr von Richter Rupp, der
die inzwischen wegen Befangenheit abgelehnte Richterin Mickerts
ersetzte, stattgegeben.
Froese erklarte in seiner gut einstundigen Einlassung zunachst,
warum es zu diesem erneuten Strafverfahren, nachdem er bereits
einmal verurteilt worden war, gar nicht mehr hatte kommen durfen.
Selbst die Staatsanwaltschaft und auf Beschwerde des Bundesamtes
fur den Zivildienst (BAZ) die Generalstaatsanwaltschaft hatten
sich zunachst geweigert, erneute Anklage zu erheben. Erst auf
einen recht ungewohnlichen Klageerzwingungsantrag durch das BAZ
hin ordnete das Oberlandesgericht Frankfurt/M. die Erhebung der
Klage an.
Im weiteren ging der Soziologiestudent auf die Motive ein,
warum er sowohl den Militar- als auch den Ersatzdienst verweigert.
Denn der sog. Zivildienst ist ebenfalls in die militarischen Konzepte
eingeplant, zerstort daneben aber auch die Sozialstruktur, in
dem unausgebildete Hilfskrafte regulare Arbeitsplatze zerstoren.
Staatsanwalt Gonder stellte in seinem Pladoyer entgegen der
ursprunglichen Auffassung der Staatsanwaltschaft fest, das Froese
sich strafbar gemacht habe und er daruberhinaus "nichts,
aber auch uberhaupt nichts" zu erkennen sei, was auf eine
Gewissensentscheidung hindeute. Der Angeklagte habe vielmehr "nur
politische Uberzeugungen" dargetan. Nur eine festgestellte
Gewissensentscheidung aber sei in der Lage, die zwei Dienstfluchten
zu einer zusammenschmelzen zu lassen, und somit das Verfahren
wegen Verbots der Doppelbestrafung einzustellen. Schlieslich habe
die Bundesrepublik ein KDV-Recht, was bereits "ein großes
Entgegenkommen" des Staates darstelle, daruberhinaus bestehe
kein Grund, die Verweigerung der "wenigen Pflichten"
zu respektieren. Weil zu befurchten sei, das Froese erneut den
Zivildienst verweigern werde, konne keine "positive Sozialprognose"
gestellt werden. Deshalb beantragte Gonder eine Freiheitsstrafe
von zehn Monaten, die nicht zur Bewahrung ausgesetzt werden konne.
Der Verteidiger Beutner
- selbst Totalverweigerer - erklarte zunachst, das die negative
Sozialprognose keinen Ruckhalt im Gesetz habe: Froese war vor
zwei Tagen 28 geworden und kann daher nicht mehr erneut einberufen
werden. Der Staatsanwalt erwiderte darauf, das er dies tatsachlich
ubersehen habe, nunmehr aber aus Grunden der "Aufrechterhaltung
der Rechtsordnung" die Vollstreckung der beantragten Freiheitsstrafe
fur notwendig halte. Der Verteidiger fuhrte weiter in seinem einstundigen
Pladoyer aus, das zunachst schon die erste Verurteilung aufgrund
der in Art. 4 Abs. 1 GG garantierten Gewissensfreiheit nicht hatte
erfolgen durfen. Dies sei aber vorliegend nicht entscheidend,
da das Verfahren wegen des Verbots der Doppelbestrafung eingestellt
werden musse. Zum einen habe das Bundesverfassungsgericht erklart,
das bei Vorliegen einer Gewissensentscheidung diese eine Klammerwirkung
entfalte, die das Verfahrenshindernis begrunde. Aber daruberhinaus
sei selbst die Frage der Gewissensentscheidung letztlich nicht
erheblich, da mit der zweiten Einberufung immer nur dieselbe Forderung
nach einmaliger Ableistung von 13 Monaten Zivildienst erginge.
Der Verteidiger forderte die Einstellung des Verfahrens.
Richter Rupp folgte dem Antrag schlieslich auf ganzer Linie
und erklarte daruber hinaus, das Froese fur die Zeit der Inhaftierung
volle Haftentschadigung zu erhalten habe.
Die DFG-VK FfM und die Totalverweigerer-Inititative FfM rechnen
damit, das die Staatsanwaltschaft, die sich inzwischen "selbst
als letztinstanzliche Vollstreckerin der Wehrpflicht zu verstehen
scheint", Berufung einlegen wird.
Trotz des vorubergehenden Erfolges in dieser Sache durfe nicht
ubersehen werden, das die Strafjustiz i.allg. "nicht gerade
zimperlich bei der Verfolgung radikaler Antimilitaristen"
vorgehe. So sitzt etwa seit dem 05. November 1998 der zweite Wahlverteidiger
Froeses, Jorg Eichler aus
Dresden, selbst wegen Totaler Kriegsdienstverweigerer in Untersuchungshaft
in der JVA Amberg. Eichler war zum 01.07.1998 zur Bundeswehr nach
Pfreimd (Oberpfalz) einberufen worden, dort aber nicht erschienen.
Obwohl keine Grunde vorlagen, anzunehmen, Eichler werde sich dem
Strafverfahren nicht stellen, erlies das Amtsgericht Amberg Haftbefehl,
der seit dem 05.11.98 vollstreckt wird. Mittlerweile hat die Staatsanwaltschaft
am Landgericht Amberg nach fast drei Monaten es geschafft, Anklage
gegen Eichler zu erheben. Das heist, das innerhalb der nachsten
Wochen die Hauptverhandlung gegen Eichler wegen "Fahnenflucht"
(s 16 I WStG) am Amtsgericht im bayerischen Amberg stattfinden
wird.
Fur die DFG-VK Frankfurt/M.
Cemal Sinci
Kontakte:
- Deutsche Friedensgesellschaft Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen
e.V.,
Vogelsbergstr. 17,
60 316 Frankfurt/Main,
Tel.: 0 69 - 4 98 03 94
Fax: 0 69 - 4 99 00 07
E-mail: dfgvkffm@t-online.de
- Torsten Froese,
Tel.: 0 69 - 53 31 05
- Verteidiger Detlev
Beutner,
Tel./Fax: 0 69 - 43 05 77 71,
(auch Kontakt fur Jorg Eichlers Fall)
- Richter Rupp,
AG Frankfurt/M.,
Tel.: 0 69 - 13 67 01 (Zentrale),
Fax: 0 69 - 13 67 62 03
- Staatsanwalt Gonder,
Tel.: 0 69 - 13 67 81 62 (Zentrale)
- Hessisches Ministerium der Justiz pp.,
(Az.: 4121/1E - III/6 - 379/98),
Frau Messer,
Tel.: 06 11 - 32 26 20
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