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10.11.98 5 Monate Haft: Totalverweigerung nur für UmweltschweineDie harte Linie der Berliner Gerichte gegen Totale Kriegsdienstverweigerer wird fortgesetzt: Tilman Heller wurde am 22. September vom Amtsgericht Tiergarten zu fünf Monaten Haft ohne Bewährung verurteilt, weil er den Zivildienst nicht angetreten hatte. Tilman, Mitglied im Landesvorstand von Bündnis 90/Grüne, verwies in seiner Prozeßerklärung zunächst darauf, daß der Zivildienst in das Konzept der Gesamtverteidigung eingebunden ist und im Verteidigungs-Fall Zivis zu kriegsunterstützenden Maßnahmen herangezogen werden können. Daher könne er aus Gewissensgründen auch keinen Zivildienst leisten. Ausführlich nahm Tilman zur praktischen Ausgestaltung des Zivildienstes Stellung. Dieser sei schon in Friedenszeiten unsozial: für Zivis, weil sie dazu gezwungen werden; für zu pflegende Personen, weil sie ahnungslosen Neulingen ausgeliefert werden; für das Pflegepersonal, weil sein Status in Frage gestellt wird. Auch die gesetzlich vorgeschriebene Arbeitsmarktneutralität des Zivildienstes sei Fiktion. Tilman hatte seine Zivildienststelle in Frankfurt/Main aufgesucht und sich angesehen, welche Arbeitsplätze durch den Einsatz durch Zivis eingespart werden: vom Pförtner bis zum Altenpfleger. Dies wurde ihm auch vom Zivildienstbetreuer des Heimes gesagt. Erst als der merkte, mit wem er es zu tun hatte, begann er, seine eben gemachten Äußerungen wieder zurückzunehmen. Schließlich droht dem Heim der Entzug der Zivis, wenn nachgewiesen werden kann, daß diese Arbeitslosen die Plätze wegnehmen. Die Sorgfalt, mit der sich Tilman vorbereitet hatte, wurde ihm vom Gericht nicht gelohnt: Zwar erkannten Staatsanwalt und Richterin an, daß Tilman eine Gewissensentscheidung getroffen habe, weil sie ihm aber trotzdem Unrecht geben mußte, ging die Richterin nicht darauf ein, ob eine Gewissensentscheidung strafbar oder vielmehr durch das Grundgesetz gedeckt ist. Die Richterin wagte einen kühnen Vergleich: Umweltschutz koste auch Arbeitsplätze, sei aber in Ordnung. Und wenn Tilman Umweltschutz verlange, also den Verlust von Arbeitsplätzen riskiere, könne er den Zivildienst auch nicht mit dieser Begründung ablehnen. Wer also nicht will, daß Zivis als Jobkiller eingesetzt werden, darf konsequenterweise auch keinen Müll vermeiden und nicht Fahrrad fahren - letzteres könnte Arbeitsplätze in der Autoindustrie gefährden. Daß das Urteil nicht zur Bewährung ausgesetzt wurde, fügt sich in den neuesten Berliner Justiz-Trend. Damit wird auch dem politischen Willen der alten (und neuen?) Bundesregierung entsprochen, Zivildienst-Verweigerer auf jeden Fall in den Knast zu stecken. Tilman hat Berufung eingelegt. (Fahnenfluch der Kampagne gegen Wehrpflicht Berlin) |
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