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09.11.98 Mörder: Schon beleidigendWas sollen Bundeswehrsoldaten? Aus niederen Beweggründen töten, etwa zwecks materieller Bereicherung? Aber klar. Die Freischießung ungehinderten Zugangs zu Rohstoffen in aller Welt gehört seit 1992 zu den erklärten Zielen der Bundeswehr. Und in welcher Form sollen sie töten? Etwa heimtückisch? Na klar: Am besten mit Bomben, Granaten und Raketen auf bewohnte Gebiete. Darf man Bundeswehrsoldaten also Mörder nennen? Klar doch, dachten sich einige hundert Demonstranten, die 1996 das Gelöbnis in Berlin-Charlottenburg störten. Die Bundeswehr sieht das allerdings anders, deswegen hatte sich Tilman Heller - der gleiche, der kurz zuvor wegen Totalverweigerung verurteilt worden war - am 8. Oktober vor dem Amtsgericht Tiergarten zu verantworten, Vorwurf: Beleidigung. Tilman bekannte sich zum Vorwurf und begründete anhand oben geschilderter Argumentation, warum Soldaten auch im juristischen Sinne Mörder seien. Im umgangssprachlichen Sinne seien sie das ohnehin, der damalige Demo-Ruf war schließlich weniger als Anzeige im justiziellen Sinn gedacht, sondern als knappe, kernige Aussage, die das Wesen des Militärs auf den Punkt brachte. Als Beitrag zur politischen Meinungsbildung müsse die Aussage vom Grundrecht auf Meinungsfreiheit gedeckt sein, so Tilman in Übereinstimmung mit seinem Verteidiger Sven Lindemann. Der erklärte, die Bezeichnung als Mörder gelte nicht einem einzelnen Soldaten, sondern dem Berufsbild als solchem. Und das sei eine sachlich zutreffende Feststellung. Wo kämen denn die Herrschenden dieser Welt auch hin, wenn sich Soldaten weigern würden, Mörder zu sein? Der Richter regte an, das Verfahren einzustellen, biß aber bei der Staatsanwältin auf Granit: Die stellte klar, daß Tilman aufgrund seiner Totalverweigerung ein rotes Tuch für sie darstellt: Weil sie Tilmans Äußerung schon beleidigend fand, forderte sie eine Verurteilung zu zehn Tagessätzen à 20 Mark. Genauso lapidar erklärte das Gericht daraufhin, die Kennzeichnung von Soldaten als Mörder sei beleidigend - basta! Die Frage, ob hier nicht die Meinungsfreiheit verletzt wird, wurde vom Richter weder gestellt noch beantwortet. Welch Geist dahinter steckt, ließ er durchblicken, als er Tilman vorhielt: Wenn Sie der Ansicht sind, Armeen gehörten abgeschafft, dann müßten Sie auch die Menschen insgesamt abschaffen. Frei nach dem Motto: Der Mensch ist des Menschen Wolf (bzw.: der Soldat ist des Menschen Mörder), und wer das ändern will, verstößt gegen das Gesetz. Tilman ist übrigens Mitglied des Berliner Landesvorstandes von Bündnis 90/Grüne. Von der Partei, die sich mittlerweile anschickt, die Verantwortung für Bundeswehreinsätze in aller Welt zu übernehmen, war weder vor noch nach dem Prozeß ein Wort der Solidarität mit Tilman zu vernehmen. Die Macht hängt an den Gewehrläufen... (Fahnenfluch der Kampagne gegen Wehrpflicht Berlin) |
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