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Extralegaler Freiheitsentzug: Bundeswehr arrestierte den falschen
Totalverweigerer
DRESDEN/PFREIMD, 05.08.1998. Die Bundeswehr hatte am 03. August 1998 in der Kaserne in Pfreimd (Opf.) einen Totalverweigerer wegen Befehlsverweigerung arrestiert - allerdings den falschen. Michael Fücker aus Dresden hatte sich am 01. August mit einem Einberufungsbescheid von Jörg Eichler vor der Kaserne "gestellt", ohne jedoch explizit zu behaupten, Jörg Eichler zu sein. Da die Bundeswehr keinen Personalausweis sehen wollte, bemerkte sie diesen Austausch nicht. Nachdem Fücker am 03. August 1998 alle ihm erteilten Befehle verweigert hatte, wurde er vorläufig festgenommen und für 31 Stunden in der Arrestzelle untergebracht. Damit hat die Bundeswehr eine Inhaftierung ohne jegliche Rechtsgrundlage gegen den Totalverweigerer vorgenommen, da dieser nicht einmal wirksam einberufen war. Am darauffolgenden Tage hatte die Bundeswehr jedoch unter Zuhilfenahme des Militärischen Abschirmdienstes (MAD), der Kriminalpolizei und des Einwohnermeldeamtes die Verwechslungskomödie bemerkt und Fücker aus der Arrestzelle entlassen. Am 05. August 1998 fand gegen Mittag eine Demonstration durch Pfreimd mit ca. 30 Teilnehmern mit anschließender Protestaktion vor der Kaserne statt, unter denen sich sowohl der richtige Eichler als auch sein Double befanden. Nachdem sich Eichler der Bundeswehr zu erkennen gegeben hatte, kam es jedoch nicht zur erwarteten Gefangennahme, da die Bundeswehr kein Interesse an einer medienwirksamen Festnahme hatte. Gleichwohl ist die Suche nach Eichler durch die Feldjäger noch keineswegs eingestellt.Wie die Totalverweigerer-Initiative Dresden erklärt, ist daher eine Festnahme in den nächsten Tagen zu erwarten. Mit der Austauschaktion wollte die Totalverweigerer-Initiative auf die Praxis der Arrestierung von Totalverweigerern durch die Bundeswehr, die größtenteils im rechtsfreien Raum stattfindet, aufmerksam machen.Gegen Totalverweigerer werden durch die Bundeswehr grundsätzlich Disziplinararreste verhangen, in aller Regel bis zu 3 mal 21 Tagen. Disziplinararreste sind keine gewöhnlichen Strafen, sondern erzieherische Maßnahmen (§ 34 Abs. 3 WDO) und dürfen deshalb keine Anwendung finden, wenn "davon keine erzieherische Wirkung mehr erhofft werden kann" (BVerwGE vom 14.04.65 -I (II) WD 142.64-). Da somit Arrest vom Vorgesetzten nur verhangen werden darf, wenn "er noch mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit erwarten kann, der Soldat werde sein Verhalten aufgrund dieser Maßnahme ändern." (BVerwGE vom 13.03.70 -I WDB 13/69-), und "[...] nicht den Charakter einer Beugehaft annehmen darf [...]" (BVerwGE 33, 223) sind verhangene Arreste gegen Totalverweigerer regelmäßig rechtswidriger Freiheitsentzug, da diese Erwartungshaltung selbst bei der BW nicht existiert. Auch das Arrestverfahren selbst weist erhebliche Mängel an Rechtsstaatlichkeit auf. So bedarf die Arrestierung zwar der Zustimmung durch das zuständige Truppendienstgericht, die eigentliche Entscheidung über Vollstreckung der Maßnahme obliegt jedoch dem Disziplinarvorgesetzten. Hat der Truppendienstrichter seine Zustimmung erteilt, kann die Bundeswehr den Zeitpunkt der Vollstreckung innerhalb der Verjährungszeit von sechs Monaten frei wählen, also bspw. zu einem Zeitpunkt, in dem der Richter nicht mehr zustimmen würde, weil der erzieherische Zweck der Maßnahme nicht mehr erwartet werden kann. Damit wird dem Gericht die Aufsicht über die Vollstreckung dieser Maßnahme entzogen - ein Verstoß gegen Art. 104 Abs. 2 GG. Dort ist geregelt: "Über die Zulässigkeit und Fortdauer einer Freiheitsentziehung hat nur der Richter zu entscheiden." Das Rechtsmittel gegen die Entscheidung des Truppendienstrichters erweist sich bei näherer Betrachtung ebenfalls als Farce: zwar kann Beschwerde eingelegt werden, über welche die Kammer des Truppendienstgerichtes entscheidet. Die Besetzung der Kammer läßt jedoch die Aussicht auf Erfolg gegen null schrumpfen, da sich diese aus dem selben Richter, gegen dessen Entscheidung die Beschwerde eingelegt wurde und zwei Beisitzern, die Soldaten sind, zusammensetzt. So bestätigt die Totalverweigerer-Initiative auch, daß in der Praxis die Beschwerden nie Erfolg haben. Ein weiteres Rechtsmittel gibt es nicht. Zudem werde die Zustimmung zum Arrest ohnehin regelmäßig mit der Anordnung sofortiger Vollstreckbarkeit versehen, womit die Beschwerde keine aufschiebende Wirkung entfaltet. Darüberhinaus existiert für den Bereich des Wehrdienstes ein Erlaß des Verteidigungsministeriums - sog. ´Rühe-Erlaß`, nach dem Totalverweigerer erst aus der Bundeswehr zu entlassen sind, wenn sie durch ein Gericht zu einer Freiheitsstrafe von mind. 7 Monaten mit oder ohne Bewährung verurteilt wurden. Liegt das Strafmaß darunter, verschickt die BW grundsätzlich einen neuen Einberufungsbescheid, und strebt so ein zweites Strafverfahren an. Seit Bestehen des Rühe-Erlasses enden nunmehr 20% aller Gerichtsurteile bezüglich Totalverweigerern mit einem Strafmaß von 7 Monaten, wogegen es in der Zeit davor kein einziges Urteil in dieser Höhe gibt. Dies, so die Totalverweigerer-Initiative, zeige, daß "die BW mittels ihrer Einberufungspraxis direkten Einfluß auf Strafgerichtsurteile gegen Totalverweigerer nimmt" und stelle einen "eklatanten Verstoß gegen das Prinzip der Gewaltenteilung" dar, womit elementarste Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit mißachtet würden. Für die Richtigkeit: Weitere Kontakte:
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