Totalverweigerer aus Dresden von Bundeswehr vorläufig festgenommen

Beantragung von Arrest für morgen beabsichtigt

DRESDEN/PFREIMD, 03.08.1998. Der Dresdner Totalverweigerer Jörg Eichler (23 J.), Mitarbeiter der TKDV-Initiative Dresden und Redakteur des bundesweiten Rundbriefs zur Totalen Kriegsdienstverweigerung Ohne Uns ist heute in Pfreimd (Oberpfalz) von der Bundeswehr (BW) vorläufig festgenommen; Arrest ist noch nicht gegen ihn beantragt worden, dies ist jedoch für den morgigen Tag beabsichtigt. Über Eichler wurde Kontaktsperre verhangen.

Eichler war seit 01.07. diesen Jahres fahnenflüchtig und hatte sich am 01.08. freiwillig in der Kaserne gestellt. Da er militärische Konfliktlösung grundsätzlich ablehnt, verweigert er sowohl die Ableistung des Wehrdienstes bei der Bundeswehr, als auch die des Zivildienstes wegen seiner Eingebundenheit in das Konzept der Zivil-Militärischen-Gesamtverteidigung. Danach können auch Zivildienstleistende im Verteidigungsfall zum unbefristeten Zivildienst herangezogen (§ 79 Nr. 1 ZDG) und so kriegsunterstützend eingesetzt werden. Die Ableistung beider Dienste lehnt er darüberhinaus auch aufgrund ihres Zwangsdienstcharakters ab, der nicht nur eine der einschneidensten Eingriffe des Staates in elementarste Grundrechte seiner Bürger darstellt, sondern auch mittels Androhung der Sanktion von bis zu fünf Jahren Freiheitstrafe für Dienst- oder Fahnenflucht unter massivsten Grundrechtsverletzungen gegen Menschen, die aus Gewissensgründen weder Wehr- noch Zivildienst leisten wollen, durchsetzt.

Nachdem sich Eichler in der Kaserne gestellt hatte, wurde ihm der Befehl erteilt, nun seinen Dienst anzutreten. Da er dies konsequent verweigert hatte, wurde er daraufhin von der BW vorläufig festgenommen. Disziplinararrest ist zwar noch nicht gegen ihn beantragt worden, nach Angaben der Bundeswehr wird dies jedoch bei weiterer Verweigerungshaltung am morgigen Tag bei der 7. Kammer des Truppendienstgerichtes (TDG) Süd geschehen. Es ist davon auszugehen, daß diese der Verhängung der Disziplinarmaßnahme zustimmen wird, da es bereits jahrzehntelange Praxis der BW ist, Disziplinararreste gegen Totalverweigerer zu verhängen. Dies erfolgt üblicherweise bis zu einer Länge von 3 mal 21 Tagen. Da in den meisten Fällen die Truppendienstgerichte einer 4. Arrestierung nicht mehr zustimmen, wird danach Dienstverbot erteilt.

Die Arrestierung eines Totalverweigerers bei der Bundeswehr bedeutet Einzelhaft unter verschärften Bedingungen: 23 Stunden Einschluß in einer ca. 6 qm "großen" Zelle, die mit einem Tisch, einem Stuhl und einem zwischen 6.00 und 21.00 Uhr hochgeklappten Bett, möbliert ist, 1 Stunde Ausgang pro Tag, eine Stunde Besuch pro Woche.

Die Totalverweigerer-Initiative Dresden erklärte, daß die Vollstreckung von Arresten in aller Regel rechtswidrig sei, denn "Disziplinarmaßnahmen sollen vom Charakter keine Strafen, sondern lediglich Erziehungsmaßnahmen" sein. Mit der Vorgehensweise der BW, grundsätzlich Disziplinarreste gegen Totalverweigerer zu verhängen, werde die Regelung der Wehrdisziplinarordnung dazu mißbraucht, "an Totalverweigerern eine klassische Beugehaft und grob rechtswidrigen Freiheitsentzug zu vollstrecken". Auf diese Weise nehme "die BW selbst Einfluß auf die Bestrafung von Totalverweigerern", was in einem Rechtsstaat grundsätzlich nur Strafgerichten vorbehaltenen ist. Darüberhinaus existiert für
den Bereich des Wehrdienstes ein Erlaß des Bundesverteidigungsministeriums - sog. "Rühe-Erlaß", nach dem Totalverweigerer erst aus der Bundeswehr zu entlassen sind, wenn von einem Gericht zu einer Freiheitsstrafe von mind. 7 Monaten mit oder ohne Bewährung verurteilt wurden. Liegt das Strafmaß darunter, verschickt die BW grundsätzlich einen neuen Einberufungsbescheid, und strebt so ein zweites Strafverfahren an. Dies, so die Totalverweigerer-Initiative, stelle einen "eklatanten Verstoß gegen das Prinzip der Gewaltenteilung" dar, womit elementarste Grundsätze des Rechtsstaates
mißachtet würden.

Aber auch im Arrestverfahren selbst nimmt man es mit Rechtsstaatlichkeit nicht so genau. So kann gegen die Entscheidung des Truppendienstrichters bezüglich des Arrestes zwar Beschwerde eingelegt werden, über welche die Kammer des Truppendienstgerichtes entscheidet. Die Besetzung der Kammer läßt jedoch die Aussicht auf Erfolg gegen null schrumpfen, da sich die Kammer des TDG aus dem selben Richter, gegen dessen Entscheidung die Beschwerde eingelegt wurde und zwei Beisitzern, die Soldaten sind, zusammensetzt. Ein weiteres Rechtsmittel gibt es nicht. Zudem werde die Zustimmung zum Arrest ohnehin regelmäßig mit der Anordnung sofortiger Vollstreckbarkeit versehen, womit die Beschwerde keine aufschiebende Wirkung entfaltet.

Die Totalverweigerer-Initiative Dresden kündigte für den 05. August, 12.00 Uhr eine Protestveranstaltung vor der Kaserne in Pfreimd (OPf.) an.

Für die Richtigkeit

Michael Fücker

Weitere Kontakte:

  • Jörg Eichler, z.Zt. in Arrest, 4. Panzerbat. 104, Schlossbergstr. 1, Oberpfalz-Kaserne in 92536 Pfreimd, Tel: 09606/ 888-0, Email: je519121@Rcs1.urz.tu-dresden.de
  • Michael Fücker (TKDV-Initiative Dresden), Bolivarstr. 58, 01 139 Dresden, Tel/Fax: 0351/ 8 40 01 82, email: fueck@rcs.urz.tu-dresden.de
  • Detlev Beutner (TKDV Initiative Braunschweig), Helmstedter Str. 21, 38 102 Braunschweig, Tel/Fax: 0531/ 79 46 88, email: d.beutner@lanobis.de
  • DFG-VK Nürnberg, c/o Jost Gruber, Adam-Klein-Str. 6, 90 443 Nürnberg, Tel/Fax: 0911/ 2 87 69 71


Die Weitergabe der Texte ist unter Hinweis auf die Quelle OHNE UNS und gegen Belegexemplar erwünscht.