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Aus Ausgabe 2/98 (August)Rückblicke...von Caspar Bothmer So, meine Verweigerung liegt jetzt hinter mir und ich soll etwas darüber schreiben. Aber was eigentlich? Eine Chronik, einen aktuellen Gefühlsreport? Ok, fangen wir erst einmal an. Ende Juni kam der Brief vom Berliner Senat, daß meine Haft auf zwei Jahre Bewährung ausgesetzt sei und ich noch tausend Mark Bußgeld zu zahlen hätte. Damit sind jetzt acht Jahre nahezu ständiger und massiver Belästigung durch Bundesamt für Zivildienst und Gerichte vorbei. Einfach so? Vorbei ist es noch lange nicht - die letzten zwei Jahre meines Studiums kann ich vergessen, die Wehrpflicht existiert weiterhin und ich werde immer noch damit konfrontiert, daß ich als Medizinstudent ethisch und moralisch dazu verpflichtet sei, die Wehrpflicht in ihrer gesamten Gutheit toll zu finden. Eines ist ganz klar, seit der Begnadigung geht es mir wieder besser, obwohl ich merke, daß da noch einiges aufgearbeitet werden muß. Aber dieses ganze muß ich mir ja selbst zuschreiben, da ich doch so freiwillig diese Verweigerung durchgezogen habe! Seit dem 17. Mai 1996, dem Amtsgerichtsprozeß, lebte
ich mit sechs Monaten Haft für etwas, das ich auch weiterhin
keinesfalls als strafwürdig oder unmoralisch erachte - im
Gegenteil. Es ist schon ein seltsames Gefühl, daß eine
politische Frage mittels eines tumben Richters abgearbeitet wird,
der mit seinen Kollegen die Vorgaben in Form der Gesetze selbst
nicht ganz so genau nimmt. Während noch im ersten Prozeß
einfach die politischen Aspekte einfach beiseite geschoben wurden,
war der zweite Prozeß weitaus mehr. Weil ich gegen des Richters
Weltanschauung gehandelt hatte, konnte ich kein Gewissen haben.
Weil 80% der euphemistisch "Zivildienst" genannten Zwangsarbeit
im sozialen Bereich abgeleistet wird, ist diese Arbeit sozial
und ich ein soziales Schwein (Geld, Karriere, Hilfsbedürftigen
als Arzt Hilfe verweigernd, wenn es mir paßt etc.). Ich habe mich in den letzten Jahren in einem merkwürdigen Schwebezustand befunden, mal fest von der Verweigerung überzeugt und in völliger Einheit mit mir und dem Streß, ein andermal tief betrübt und nicht verstehend, wieso mir ein unfaßbares Etwas soviel Ärger machte und es auch darauf anlegte - meine Einberufung kam ja wenige Wochen vor Schluß, und das Bundesamt für Zivildienst kannte meine Haltung. Ein interessanter Selbstversuch, wie die Realität durch äußere Einflüsse derart verändert werden kann, daß mensch selbst sich für den Fehler hält, zumindest manchmal denkt, an dieser Behauptung könne etwas dran sein. Ich kann nur sagen, daß sich meine Verweigerung gelohnt hat, trotz aller Scheiße und der Achterbahnfahrt Alles und Jedes. Ich sehe für mich eine klare positive Bilanz, weil ich meine Position trotz des Ärgers vor mir beibehalten und mich gewehrt habe, weil ich mir diesen Wehrdienst erspart habe, der einen verblöden und abstumpfen lassen soll. Auch die soziale Tünche über den Zivildienst kann letztlich nicht über das eigentliche Anliegen hinwegtäuschen. Und ich denke, daß es weiterhin totale Kriegsdienstverweigerer geben wird und geben muß, um den selbstzufriedenen Nichtdenkern deren Mut zur Verweigerung des Dienstes in der Bundeswehr madig zu machen. Dabei denke ich nicht an die, die den Dienst leisten, weil sie nicht den Mut hatten, für ihre Einstellung einzustehen! Ich finde, die Wehrpflicht paßt sehr gut zu den "demokratischen" Grinsefressen dieses Landes, die jetzt im Wahlkampf die dritten Zähne zeigen. Sogar die Plakate stinken erbärmlich... Ich könnte noch soviel schreiben, aber während des Schreibens entschied ich mich dazu, einfach eine aktuelle Stimmung zu beschreiben. Wer Infos zu meiner Verweigerung sucht, im Internet (http://www.charite.de/students/studis/caspar/index.html) steht vieles und ich reagiere auch gerne auf e-mails (caspar.bothmer@charite.de). |
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