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Aus Ausgabe 1/98 (Juli)Bundesweites Treffen zur Totalen Kriegsdienstverweigerung
15.-18. Mai 1998 in Braunschweig
Vom 15.-18. Mai fand das diesjährige Bundestreffen zur Totalen Kriegsdienstverweigerung in Braunschweig statt. Mit über 60 Teilnehmern, unter denen sich eine ungewöhnlich große Anzahl Neueinsteiger befand, war dieses Treffen das größte seit vielen Jahren. Neben den traditionellen Arbeitsgruppen für Einsteiger, zur Prozeß- und Arrestvorbereitung stand zum dritten mal in Folge die Frage nach Übernahme des Ohne Uns im Raum. Einen weitereren Schwerpunkt bildete die erneute Thematisierung des JUT-Projektes als neue Prozeßstrategie. Eigentlich trugen sich die Braunschweiger ja bereits einige Jahre mit dem Gedanken, einmal das Bundestreffen auszurichten. Nicht zuletzt wegen der Ausreizung der organisatorischen Kapazitäten durch die Herausgeberschaft des Ohne Uns bis 1995 und seit 1996 des UrIS immer wieder aufgeschoben, war es nun in diesem Jahr soweit. Freitag Das Treffen fand in den Fachschaftsräumen der Braunschweiger Uni statt, die nicht nur hinreichend Platz zum Übernachten und plenieren boten, sondern auch mit der sie umgebenden riesengroßen Wiese gemeinsam mit dem exclusiven Sonnenwetter sogar ein wenig nature-feeling aufkommen ließen. Bereits am Freitag abend, der als Internationaler Tag der Kriegsdiensverweigerung noch den symbolischen Rahmen lieferte, trafen knapp 30 Leute zum gemeinsamen Abendschmaus und anschließender erster Kennlernrunde ein. Anschließend wurden den ersten Berichten aus den Regionen gelauscht, und das Programm für die nächsten zwei Tage besprochen. Der Abend klang dann in kleinen Gesprächsrunden bei Bier und (etwas zu wenig vorhandenem) Wein gemütlich aus. Samstag Nach sehr leckerem Frühstück teilte sich das nunmehr über 50 Personen fassende Plenum in die Vormittags AG´s. Einsteiger-AG Wie auf jedem Bundestreffen gab es auch hier wieder eine Einsteiger-AG, in der sich die zahlreich erschienenen Interessierten und Betroffenen über die grundsätzlichen Zusammenhänge der TKDV-Problematik informieren konnten. Hier wurde zunächst ein zusammenhängender Überblick über traditionelle TKDV-Themen wie Zivil-Militärische-Zusammenarbeit und daraus folgende Verplanung des Zivildienstes, Zwangsdienstproblematik, (anti)soziale Auswirkungen des Zivildienstes, sowie möglicher Ablauf und Konkfliktpunkte der Totalverweigerung gegeben. Darüberhinaus wurden noch verschiedene Handlungsperspektiven der totalverweigerung referiert und diskutiert. Parallel dazu fand die AG Vernetzung statt. Oberste Priorität hatte hier die Frage, wie es mit dem Ohne Uns weitergeht, da von allen Beteiligten die fast existenzielle Wichtigkeit dieses Zeitungsprojektes für die Vernetzung der Totalverweigerungs-Bewegung attestiert wurde. Die Berliner Redaktion hatte bereits im Vorfeld des Bundestreffens angekündigt, die Ohne Uns auf jeden Fall abgeben zu wollen, da sie auch hier - wie ein Jahr zuvor in Magdeburg - auf eine one-man-show geschrumpft war und für eben diesen die redaktionelle Arbeit nicht zu bewältigen war. Als weiteres gewichtiges Problem wurde die miese finanzielle Situation des Ohne Uns benannt. Ausführlich wurde ein Angebot der Zeitschrift illoyal dikutiert, die Ohne Uns in eigenständiger Redaktion mit vier bis acht Seiten in eben dieser erscheinen zu lassen. Der Vorteil daran wäre gewesen, daß zunächst einmal keine Druck- und Vertriebskosten angefallen wären. Dennoch stieß der Vorschlag auf nicht große Gegenliebe. Besonders großer Wert wurde dabei von den meisten Anwesenden dem unabhängigen und eigenständigen Charakter der Ohne Uns als Medium der TKDV-Bewegung beigemessen. Außerdem wurde klargestellt, daß die Ursachen für das unregelmäßige Erscheinen in den letzten zwei Jahren in erster Linie in redaktionell-personeller Hinsicht zu suchen sind und die finanziellen Schwierigkeiten erst an zweiter Stelle stehen bzw. zum Teil auch ein Folgeproblem des ersten sind. Nicht zuletzt hätte es ja auch eine Redaktion für die Erstellung der Ohne Uns-Seiten in der illoyal geben müssen, die dann jedoch aufgrund der drastisch sinkenden Druckkosten auch als eigenständiges Blatt (natürlich mit vier bis acht Seiten eher ein Rundbrief) herausgegeben werden könnten. Daraufhin erklärten die Mitglieder der TKDV-Initiative Dresden, unter diesen skizzierten Bedingungen die Redaktion des Ohne Uns übernehmen zu wollen. Nachdem die Frage Wer macht das Ohne Uns weiter? geklärt und der damit einhergehende Druck der peinlichen Schweigerunden abfiel, sank leider auch die Effektivität der AG wie eine Fernseheinschaltquote nach 23.00 Uhr. Deshalb wurde die sehr interessante Diskussion über die Interaktion zwischen der TKDV-Bewegung und anderen potenziell nahestehenden sozialen Bewegungen, die in letzter Zeit wieder (aktuell in gwr 223, 229) geführt wurde, nur oberflächlich angeschnitten. Zumindest wurde fast übereinstimmend festgestellt, daß in anderen sozialen Bewegungen wie bspw. der Anti-Atom-Bewegung oder in Antifa-Kreisen die TKDV-Problematik kaum eine Rolle spielt und auch mit praktischer Solidarität recht sparsam umgeht. Hier sei nur an den TKDVer betreffenden Beschluß der Roten Hilfe erinnert oder die für die traditionell bürgerlich geprägte Friedens- und KDV-Bewegung signifikant ablehnende Haltung von amnesty international bezüglich einer Adoption von TKDVern in Deutschland. Weiterhin wurde noch einmal die Effektivität leider viel zu wenig genutzter neuer Medien wie Fax und Email für eine Vernetzung betont. Während die AG´s so langsam ausliefen, wurde von einigen derweil ein leckeres Mittagessen gezaubert, welches mensch sich dann in der Mittagspause munden ließ, die außerdem aufgrund des hervorragenden Wetters noch sehr zum Sonnenbad einlud.Nachdem sich alle gestärkt und etwas ausgeruht hatten, war der Nachmittag dem Thema Prozeßführung gewidmet. Da es sich in einer Runde mit 60 Leuten schlecht arbeiten läßt und die Interessenschwerpunkte ohnehin etwas differierten, teilte sich das Plenum in zwei AG´s mit unterschiedlichen Schwerpunkten. AG Prozeßführung In der etwas allgemeiner gehaltenen AG informierte Rechtsanwältin Barbara Kramer aus Braunschweig über die Grundzüge des Verfahrens und dessen Ablauf. Hier wurden juristische Grundlagen vermittelt, Einzelheiten des Ermittlungsverfahrens und der Hauptverhandlung erläutert, sowie die juristisch saubere Möglichkeit des Freispruches dargelegt. AG JUT (=Juristische Unterstützung für Totalverweigerer)/Rechtsberatungsgesetz (RBerG) In der zweiten AG ging es speziell um die Möglichkeit, sich im Prozeß anstatt von RechtsanwältInnen von anderen juristisch bewanderten Totalverweigerern verteidigen zu lassen. Hierzu gab Jörg von der TKDV-Ini Dresden einen kurzen Überblick über Grundlagen und Voraussetzungen der dies ermöglichenden Regelung des § 138 II StPO und berichtete anschließend über die ersten praktischen Erfahrungen, die von Totalverweigerern mit der JUT-Strategie gemacht wurden. In der nachfolgenden Diskussion wurde herausgestellt, daß diese Art und Weise, mit Totalverweigerer-Prozessen umzugehen, die Chance eröffnet, die politische Dimension mehr in den Vordergrund zu rücken und deshalb zur bevorzugten Strategie der Bewegung ausgebaut werden sollte. Infolge des hohen Zuspruches entschloß sich die TKDV-Ini Dresden, in diesem Jahr erneut ein JUT-Seminar zu veranstalten. Den zweiten großen Schwerpunkt bildete die Kriminalisierung der JUT durch das Rechtsberatungsgesetz, was gleichzeitig eine Einführung in das am Montag gegen Detlev und Rainer stattfindende Verfahren darstellte. Hierzu erläuterte Detlev von der TKDV-Initiative Braunschweig Entstehungsgeschichte des 1935 durch die Nationalsozialisten eingeführten Gesetzes, die heute offiziell reklamierten Schutzzwecke des RBerG und dessen Anwendung in der BRD bis heute. Außerdem zeigte er einige juristische Knackpunkte ihres Verfahrens auf, die erstaunliche Parallelen zu TKDV-Prozessen aufwiesen. Im darauf folgenden Plenum wurden die Ergebnisse der einzelnen AG´s dargestellt und nochmals etwas ausführlicher auf die Verhandlung am Montag eingegangen, um die Sensibilität für die Problematik der ja doch sehr speziellen juristischen Materie etwas zu erhöhen. Sonntag Weil Sonntag war, konnte mensch etwas länger ausschlafen, nämlich bis 10.00 Uhr, was die meisten von uns auch ausgiebig nutzten. Da das Bundestreffen diesmal aufgrund des Prozesses einen ganzen Tag länger zeit bot, fanden nach dem Frühstück erneut zwei AG´s parallel statt. AG Friedenskongreß Die AG zum Europäischen Friedenskongreß (29.-31.Mai 1998 in Osnabrück) war mit acht Beteiligten leider nur eine Zwergen-AG. Hier wurde besprochen, wie es mit absehbar wenig Teilnehmern seitens der TKDVer am Friedenskongreß dennoch erreicht werden könne, wenigstens kleine Kontrapunkte zu den sich anhand veröffentlichter Resolutionen bereits abzeichnenden Positionen der bürgerlichen Friedensbewegung zu Gewissensbegriff und KDV-Recht setzen zu können. Dazu wurden wichtige Gedanken und Kritikpunkte am bürgerlichen Gewissensbegriff á la ai zusammengetragen zwecks Erstellung einer Resolution, die möglichst vom Bundestreffen verabschiedet und in Osnabrück eingebracht werden sollte. Leider konnte dieses Papier nicht ganz fertiggestellt werden. AG Arrest/Knast Diese AG erfreute sich eines sehr großen Interesses, vor allem auch, weil relativ viele Neueinsteiger anwesend waren, für die diese AG die erste intensivere Auseinanderssetzung mit diesem Thema darstellte. Die notwendige Beschäftigung mit der Thematik Arrest umfaßte drei Teilbereiche. Zunächst wurden juristische Grundlagen (Wehrdisziplinarordnung, Wehrbeschwerdeordnung) vermittelt, die vor allem den im BW-Arrest befindlichen Verweigerern helfen sollen, sich in diesem ohnehin bereits relativ rechtsfreien Raum in der Arrestsituation besser orientieren und sich gegen bestimmte Verhältnisse auch wehren zu können. Anschließend ging es um die politische Vorbereitung des Arrestaufenthaltes, also vor allem Öffentlichkeitsarbeit vor, während und nach des Arrestes, und Solidaritätsarbeit. Nicht zuletzt wurde intensiv die persönliche Situation des Verweigerers in der BW-Kaserne besprochen, der normale Tagesablauf eines Arrestanten dargestellt und auf die psychische Verfassung des im Arrest befindlichen Totalverweigerers eingegangen. Als weiterer Punkt wurde insbesondere der RüheErlaß thematisiert. nach diesem sind Totalverweigerer erst dann aus der BW zu entlassen (und damit auf erneute Möglichkeit der Arrestierung zu verzichten), nachdem eine Verurteilung zu einer Freiheitstrafe von mindestens 7 Monaten mit oder ohne Bewährung erfolgt ist. So unterwandert die BW nicht nur das Verfassungsprinzip der Gewaltenteilung, indem sie den gerichten indirekt Vorgaben für die Bestrafung von Totalverweigerern macht, sondern behält auch sich die Entscheidung darüber, wie lange ein Totalverweigerer nun wirklich sitzt, selbst vor. Das Thema Strafvollzug wurde mit ähnlichen Schwerpunkten diskutiert wie die Arrestproblematik. Auch hier wurde betont, daß es wichtig ist, politischen Anspruch und dessen Durchsetzung und individuelle psychische Situation vor dem Hintergrund der sich durch die Strafvollzugsordnung bietenden Möglichkeiten aufeinander abzustimmen. Hervorzuheben ist die Diskussion über die Einstellung zum Tagesablauf im Knast. Hier gab es zum einen den Hinweis, den Knastaufenthalt nicht ideologisierend von der psychischen Situation zu lösen, zum anderen wurde entgegengesetzt dazu der Anspruch formuliert, politische Inhalte wie die Ablehnung jeglicher Zwangsarbeit, auch im Knast umzusetzen. Als sehr problematisch wurde jedoch empfunden, daß Totalverweigerer in der BRD im Gegensatz bspw. zur Situation in Spanien, einer völligen Vereinzelung ausgesetzt sind. Leider wurde auch erst auf dem BuTre bekannt, daß Daniel Arndt aus Sindelfingen im Knast sitzt. Abschlußrunde In der am Sonntag abend stattfindenden Abschlußrunde wurde mit goßer Übereinstimmung die gute Organisation, die Räumlichkeiten und das hervorragende Wetter (ob die Braunschweiger auch da ihre Finger im Spiel hatten...) gelobt. Vereinzelte Versuche, ein Grundrecht auf Speisen mit totem Tier auf künftigen Bundestreffen zu konstituieren, unterlagen schnell einer fast vernichtenden Kritik. Die inhaltliche Bewertung fiel etwas unterschiedlich aus. Während einige mit dem Programm zufrieden waren oder es eher als zu straff empfanden und sich mehr Raum für persönliche Gespräche gewünscht hätten, äußerten andere, daß für sie prinzipiell nichts neues mehr kam und fanden die AG´s teilweise uneffektiv. Es wurde auch der Vorschlag gemacht, die AG´s klarer in Informations- und Diskussions-AG´s zu strukturieren, um den unterschiedlichen Ansprüchen der Teilnehmer gerecht zu werden. Hierzu ist jedoch anzumerken, daß dieser Anspruch nur umgesetzt werden kann, wenn sich Leute im Vorfeld für bestimmte AG´s vorbereiten und die Leitung übernehmen. Das nächste BuTre... ...wird in Nürnberg stattfinden. Termin, genauer Ort ect. werden wir im OU rechtzeitig bekanntgeben. Ansonsten sollte sich mensch wenden an:
(je) |
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