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Aus Ausgabe 6/94-1/95 (Winter)... denn sie schaden dem Krieg! - Teil V
Heute führt die Odyssee durch die Geschichte der Deserteursdenkmale nach München. Am 14.11.87, einen Tag vor dem "Volkstrauertag", präsentierten die Spätverweigerer-Gruppe München und die dortige DFG-VK als Gegenpol zum offiziellen Heldengedenken und den 128 Kriegerdenkmalen der Stadt - für die diese 180.000 DM jährlich ausgibt - ein Deserteursdenkmal auf dem Odeonsplatz. Auf einem Steinsockel thronte ein römischer Feldherr von dem sich 'seine' Soldaten absetzten. Die Bronzefiguren stammen von dem gebürtigen Münchner Künstler Stefan von Reiswitz. Die InitiatorInnen wollten erreichen, daß das Mahnmal entweder am Kulturzentrum Gasteig oder am "Heldendenkmal" aufgestellt wird. Im Gasteig befand sich früher der Bürgerbräukeller, von dem aus Hitler seinen Putsch und damit die nationalsozialistische Ära gestartet hatte. Außerdem sollte eine Gedenktafel an das erste Attentat auf den Diktator angebracht werden, so die weitere Forderung. Am Alternativstandort Heldendenkmal gedenkt der Bayrische Kriegerbund den "Heldensöhnen" des ersten Weltkrieges und die Stadt München den "Gefallenen, Vermißten und Opfern des Luftkrieges" - des II. Die Grünen stellten später im Stadtrat einen Antrag für die Aufstellung an einem der beiden genannten Orte. Allerdings taten sie sich etwas schwer damit. Sie seien zwar überzeugt, daß es Not tue, grundsätzlich seien sie aber der Auffassung, so Stadtrat Bernd Schreyer, daß es schon genug Denkmäler gebe. Sie würden "lieber eine andere Sprache finden, als immer in Stein zu hauen". Die DiskussionDie Aufstellung und das Rahmenprogramm fanden ein breites und meist positives Presseecho. Damit war eine größere Diskussionsrunde eingeläutet. Als erstes protestierte die "Reservistenkameradschaft München-Ost", mit damals 320 Mitgliedern der größte Ortsverband bundesweit, in einem offenen Brief an den Münchner Oberbürgermeister gegen die Genehmigung der Vorstellung des Denkmals und seine geplante dauerhafte öffentliche Aufstellung. Das Denkmal fordere "wegen seines zukunftweisenden Charakters deutlich zu Fahnenflucht aus der Bundeswehr, also zu einer Straftat", auf. Franz Bauer, "Oberfeldwebel der Reserve" und Vorsitzender der Reservistenkameradschaft München-Ost, sah in dem Denkmal eine reine Provokation der BW. Für CSU-Stadtrat Gustav Graf von Preysing war das Denkmal einfach "eine Verhöhnung aller aufrechten Soldaten". Alle Völker der Welt seien sich einig in der Beurteilung der Strafwürdigkeit der Fahnenflucht. Desertion habe nichts mit Widerstand gegen politische oder militärische Ziele zu tun, vielmehr sei "der Deserteur" ein "Drückeberger, der allein um persönlicher Vorteile willen oder aus Feigheit" handele. Dieser (eine?) Deserteur dürfe auch nicht in einem Atemzug mit einem Kriegsdienstverweigerer genannt werden, der seine staatsbürgerlichen Rechte wahrnehme, und erst recht nicht mit aktiven WiderstandskämpferInnen des "Dritten Reichs", die für ihre Überzeugung kämpften und in den Tod gingen. Sie verdienten "unsere Bewunderung und Verehrung", Fahnenflüchtigen ein Denkmal zu setzen, sei dagegen jedoch "absolut grotesk". Preysing verteidigte später die Einladung der CSU-nahen Hanns-Seidel-Stiftung zu einem Treffen mit afghanischen Deserteuren mit den Worten, "die Desertion in einem Staat wie Afghanistan ist ganz anders zu qualifizieren, denn die leben ja in einem Unrechtsregime". In einem Leserbrief meinte "Dipl.-Ing. Zedler, Brigadegeneral, Kommandeur der Pionierschule und Fachschule des Heeres für Bautechnik" (so Roland Zedler über sich) daß Fahnenflucht eine verwerfliche Handlung sei. "Sie ist das schmähliche, gemeine 'Im-Stich-Lassen' der eigenen Kameraden, der eigenen Brüder und Schwestern, Söhne, Eltern und Töchter, das Verraten unseres Volkes um persönlicher Vorteile, um der Eigensucht und Feigheit willen. So ist ein 'Denkmal für Deserteure' für mich [...] das Monument unserer verhöhnten Rechtsordnung. [...] Ich hoffe deshalb sehr, daß sich der Stadtrat unserer zu den größten Garnisonsstädten zählenden Stadt München einem Antrag auf Aufstellung dieses provozierenden Denkmals verweigert." Selbiger Brigadegeneral hielt vor rund 1.000 'seiner' Soldaten eine feurige Rede: "[...] es ist Soldatenlos, auf Gedeih und Verderb Freunde zu finden, um sie bald darauf wieder zu verlieren. [...] Was uns verbindet sind die gemeinsamen Aufgaben, Eid und Gelöbnis und die Tugenden des Soldaten [...]. Diese Tugenden sind Kameradschaft, Treue, Tapferkeit, Mut, Lauterkeit und Opferwille. In langen Friedenszeiten gehen diese Tugenden in einer Armee manchmal etwas verloren. Wir lieben den Frieden. [...] Und wir begründen die Existenzberechtigung unserer Armee mit dem Frieden, den sie zu erhalten hat - so paradox das auch klingen mag. Die Bundeswehr ist nämlich seit ihrer Gründung in erster Linie ein politisches Instrument. Aber als solches hat sie nur dann ihren Stellenwert, wenn sie militärisch einsatzbereit ist, wenn das Schwert scharf ist. Dieser Notwendigkeit wirken lange Friedenszeiten entgegen. Sie verführen die aktiven Soldaten zum Job-Denken. Es wächst der Egoismus. Es schwindet das Einsehen in die Notwendigkeit von Opfern". Zur Art der Kriegführung, die ihm wohl vorschwebte, führte er aus, "daß das Wort von der 'Unzahl der Atomwaffen', die die Menschheit 100mal töten könnten, so töricht ist, als würde [...mensch] sagen: Auf der Welt gibt es soviel Wasser, daß es die Erde 100mal sintflutartig überschwemmen könnte. Daher weg mit dem Wasser!" Auf diese auszugsweise in der Frankfurter Rundschau veröffentlichte Rede erwiderte ein Kommentator, nachdem er auf die beiden letzten Kriege hinwies, die ja nach längeren Friedenszeiten (33 und 21 Jahre) verloren gingen: "Jetzt habe wir schon 38 Jahre Frieden. Ich verstehe, daß der Herr General da zittert. Ich will ihm nicht zu nahe treten, aber ich glaube doch, daß es ihm an Mumm fehlt. Es ist ja schön und gut, daß er uns auf die Gefahren der langen Friedenszeiten hinweist. Aber was tut er denn dagegen? Nichts. Und dabei ist es doch so einfach [...]: Wenn die Friedenszeiten zu lang sind, muß man sie eben abkürzen, und abkürzen kann man sie natürlich nur durch einen Krieg. Was ist das für General, der nicht einmal diese simple militärische Grundthese kennt? Oder traut er sich nicht, sie auszusprechen? Dann taugt er nichts. Mit ängstlichen Generälen können wir keinen Krieg gewinnen. Da werden die Friedenszeiten immer länger, die Schwerter immer stumpfer. Schrecklich." Aber zurück zur eigentlichen Debatte: Es gab auch viele positive Stimmen, die die Rolle der Wehrmacht und der Deserteure in ein anderes Licht rückten. So hielt ein LeserInnenbriefschreiber Deserteure für "mutige und konsequente Kriegsdienstverweigerer" und schloß seine Betrachtung: "Gerade München, der ehemaligen 'Hauptstadt der Bewegung', stünde es gut zu Gesicht, den 'Deserteur aller Kriege' mit einem würdigen [...] Denkmal zu ehren." Im Januar '88 nahm der SPD-Politiker Dieter Lattmann in einer Sendung von Radio Bremen mit Blick auf die damalige Atomkriegsgefahr Stellung: "Heute, im Zeitalter der Massenvernichtungswaffen kann keine Obrigkeit, auch kein Kollektiv, dem einzelnen seine Gewissensentscheidung abnehmen. Wer zuendedenkt, was im Ernstfall geschähe, wird im Deserteur-Denkmal beides erkennen: die Erinnerung an das, was war, und die Mahnung, daß Krieg heute in keinem Fall mehr ohne Völkermord möglich ist." Um der Diskussion eine sachliche Grundlage zu geben, stellten die Münchner Kammerspiele das Mahnmal im Frühjahr '88 für einige Wochen im Foyer ihres Werkraums aus, wo es jeweils eine Stunde vor Vorstellungsbeginn zu besichtigen war. Zweiter AntragEnde Juni '88 stellte Bürgermeister Hahnzog den Antrag, "auf städtischem Grund oder im Bereich städtischer Gesellschaften ein DENKmal "Den Kriegsverweigerern" aufzustellen. In die Überlegungen sollte insbesondere auch das bereits vorgestellte Deserteursdenkmal einbezogen werden. Der Antrag der Grünen, das Mahnmal im Gasteig aufzustellen, war zuvor am Aufsichtsrat des Kulturzentrums gescheitert. Hahnzog weiter: "Es ist an der Zeit, sich auch in unserer Stadt öffentlich derer zu erinnern, die eine ihr Leben gefährdende Entscheidung trafen". Stadtrat Franz Forchheimer (CSU) sagte in der Debatte über den Antrag, der Name "Denkmal für Kriegsverweigerer" habe eine deutliche Nähe zum Begriff "Kriegsdienstverweigerer". Es ginge aber nicht an, daß "junge Männer, die sich an der Waffe ausbilden lassen, um unsere Freiheit zu verteidigen, durch dieses Denkmal kompromittiert werden". Sichtlich darum bemüht, das Votum ihrer Fraktion gegenüber der CSU zu entschuldigen, sprach die FDP-Stadträtin Sybille Groß von der "Überforderung der Stadträte in der künstlerischen Beurteilung" dieses Projektes und verwies darauf, daß die Gestaltung ja von der Kommission "Kunst am Bau und im öffentlichen Raum" übernommen werden sollte. Frau Groß störte aber die bisher geplante Inschrift "Den Deserteuren aller Kriege". Bei der Abstimmung hoben aber schließlich nur die CSU-Leute ihren Arm gegen das Denkmal. Die Auseinandersetzung mit dem Thema Desertion ging danach natürlich noch weiter, wobei sich wie so oft zeigte, daß die GegnerInnen sich nicht zu den öffentlichen Veranstaltungen und Diskussionen trauten. Sie blieben lieber uninformiert, denn so ließen sich die Vorurteile und die morbiden Gedankengebäude am besten aufrechterhalten. Deserteursdenkmal abgesägtDie Kommission entschied sich dann doch gegen das Mahnmal und wollte eine eigene Konzeption vorlegen. Später versuchten KriegsgegnerInnen das Kunstwerk in Mannheim aufzustellen - bisher vergeblich. 1994 wurde überlegt, die Plastik in einer Münchner Ausstellung zum Thema Fahnenflucht zurückzuholen. Nach sieben Jahren sorgt sie somit immer noch für Diskussion. Hoffentlich bleibt das so. (rs; Quelle: Dokumentation von Spätverweigerern und DFG-VK) |
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