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Aus Ausgabe 1/99 (Februar)Geld und MilitärDie Friedenssteuerbewegung spielt in der ohnehin stark zersplitterten deutschen Friedensbewegung eine eher untergeordnete Rolle. Zentrale Anlaufstelle ist seit 1983 das Netzwerk Friedenssteuer, innerhalb dessen sich aus kirchlichen MitarbeiterInnen die ökumenische Aktion Steuern zu Pflugscharen herausbildete. Die Arbeit des Netzwerkes konzentriert sich auf zwei wesentliche Bereiche: Neben allgemeiner Informationsarbeit wird seit 1986 eine Gesetzesinitiative betrieben, mit dem Ziel, eine gesetzliche Regelung zu erreichen, die es ermöglicht Steuern zu zahlen, ohne Militär, Kriegsvorbereitung und Kriege mitfinanzieren zu müssen. Es wurden durch die Grünen bzw. Bündnisgrünen bisher vier Entwürfe eingereicht.
Der zweite wesentliche Bereich ist die praktische Steuerverweigerung - in letzter Konsequenz also die juristische Auseinandersetzung mit dem Staat bzw. dem Finanzamt. Argumentiert wird mit dem Grundrecht auf Gewissensfreiheit, welches, analog zur Kriegsdienstverweigerung, auch die Rechte derjenigen schützen müsse, die es aus Gewissensgründen nicht mit sich vereinbaren können, Militär, Kriege etc. mit zu finanzieren. Schließlich besteht tatsächlich kein Unterschied darin, ob ich rein praktisch an militärischen Handlungen teilnehme oder diese nur finanziere. Obwohl sich das Netzwerk mit seinen Forderungen wesentlich an dem in Art. 4 Abs. 3 GG verankerten Recht auf Kriegsdienstverweigerung orientiert, scheint hier eher ein Bezug zur Totalen Kriegsdienstverweigerung angebracht. Wie auch die TKDV-Bewegung lehnt die Friedenssteuerbewegung sowohl die direkte als auch die indirekte Unterstützung der Vorbereitung oder Durchführung von militärischen Handlungen ab. (Sie verkennt dabei, daß gerade der von ihr oft beispielhaft zitierte Zivildienst durch seine Einbindung in das Konzept der Gesamt- verteidigung direkt militärischer Handlungsoptionen sichert.) Die Argumentation der SteuerverweigererInnen orientiert sich am Grundsatz der Gewissensfreiheit und scheiterte, vergleichbar zur TKDV, bisher an jedem Gericht. (Wie noch zu zeigen sein wird liegt dies in beiden Fällen aber weniger an der konservativen Einstellung der RichterInnen sondern ist strukturell begründet). Obwohl das Bundesverfassungsgericht wiederholt festgestellt hat, daß mit einer Gewissensentscheidung auch das Recht verbunden ist, dem eigenen Gewissen entsprechend zu leben und zu handeln, wird dies hier unter Verweis auf die Budgethoheit des Parlaments nicht zugestanden (weitere Informationen zu den Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts zur Gewissensfreiheit hier). Wo kämen wir schließlich hin, wenn jeder nur dafür Steuern bezahlen würde, was er vertretbar findet? Ja - wahrscheinlich würden dann verschiedenen Projekte, die eine Mehrzahl von Menschen nicht unterstützungswürdig findet zu unser aller Erleichterung einfach wegfallen. Leider wird der Gedanke eines solchen basisorientierten Steuersystems von den Kriegssteuerverweigerern nicht konsequent weiter gedacht. Vielmehr proklamieren sie, sicher nicht unbegründet, für das spezielle Problem der Kriegsunterstützung durch Steuergelder einen Sonderfall, der sich von anderen möglichen Problemen abhebt. Nicht nur zufällig sei gerade bezüglich der Wehrpflicht, der Ausbildung zum Töten, im Grundgesetz auf mögliche Gewissensbedenken (Art.4 Abs.3 GG) eingegangen worden. Dementsprechend sind die praktischen Lösungsvorschläge auch nicht auf ein generelles Mitbestimmungsrecht bei der Steuerverwendung ausgerichtet, sondern streben eher eine Zusatzklausel für ein klar umrissenes Gewissensproblem an. Nur konsequent soll die Berechtigung zur Steuerverweigerung nur auf Antrag und damit auf Prüfung des Gewissens erlaubt werden. Damit verbundene Probleme - Ist Gewissen überprüfbar? Ein neuer Steuermechanismus ähnlich dem Anerkennungsverfahren für KDVer? sind aus der (T)KDV Bewegung hinreichend bekannt. Der letzte Gesetzentwurf (1994), der maßgeblich durch Dr. Paul Tiedemann erarbeitet wurde, sieht eine Ausgliederung des Militärhaushaltes aus dem Bundeshaushalt zu einem Sondervermögen vor. Dieser Sonderhaushalt wird ausschließlich durch eine Militärsteuer bedient, die vom Einkommen erhoben wird. Ist mensch von der Zahlung der Militärsteuer befreit, erhöht sich seine allgemeine Einkommenssteuer entsprechend, fließt aber vollständig dem jetzt pazifizierten Bundeshaushalt zu. Dies ermöglicht eine gewissensneutrale Steuerzahlung und stellt gleichzeitig die finanzielle Gleichbehandlung aller SteuerzahlerInnen sowie die Budgethoheit des Parlaments sicher. Dieser Entwurf widerspricht jedoch mittlerweile Bündnisgrünen Bestrebungen, schon existierende Sondervermögen (Deutsche Einheit, Bundesbahn) aus Gründen der Übersichtlichkeit wieder in den allgemeinen Haushalt einzugliedern. Wenngleich dieses Konzept wohl das am ehesten realisierbarste darstellt, ermangelt es der Einsicht, daß sich das gesetzgebende Organ eines Staates nur ungern selber demontieren wird. Wenn die militärische Handlungsoption weiterhin aufrecht erhalten werden soll und anscheinend immer mehr an Bedeutung gewinnt (Kosovo, Irak, Sicherung vitaler Interessen), kann nicht gleichzeitig eine Möglichkeit eingeräumt werden, dem Militär praktisch finanziell den Boden unter den Füßen wegzuziehen. Warum soll ein Staat, der in seinem Grundgesetz den Bestand einer Armee und einer allgemeinen Wehrpflicht verankert hat nun plötzlich deren Finanzierung in Frage stellen? Die Möglichkeit einer Kriegssteuerverweigerung käme einer ständigen und sicherlich wünschenswerten Volksbefragung über die Mehrheitsfähigkeit der Rüstungs- und Militärpolitik gleich, was jedoch die Grenzen der akzeptierten direkten Mitbestimmung in Deutschland um weites übersteigt. Obwohl dieses Problem ein wesentlicher Grund für die ausbleibenden juristischen Erfolge ist, wird von der Friedenssteuerbewegung nicht reflektiert, da das primäre Ziel weniger in der Abschaffung des Militärs, sondern im Schutz des individuellen Gewissens gesehen wird. Wichtig wäre daher ein Umdenken weg von einer individuenzentrierten Bewegungsausrichtung - Sicherung der individuellen Gewissensfreiheit - , hin zu einer allgemeingültigen, kritischen Praxis der Einflußnahme auf den Staat. Und dieses Potential ist in der Steuerverweigerung durchaus enthalten. Steuerverweigerung stellt ein höchst effektives Mittel dar, auf staatliche Strukturen zu reagieren, die anscheinend dem Einflußbereich der im Staat lebenden Menschen entzogen ist. Geld ist als Medium in einem hochdifferenzierten Staatsapparat von elementarer Bedeutung. Ohne Geld verliert ein Staat jegliche Handlungsoptionen nach außen als auch nach innen. Denn versteht man den Staat als eine Art Dienstleister, der den Fortbestand gesellschaftlicher Strukturen garantiert, ist er unmittelbar auf das abstrakte Medium Geld angewiesen. Verglichen mit der TKDV, die letztlich staatliche Disziplinierung unterminiert, stellt Steuerverweigerung die Finanzierung des Staates in Frage. Damit werden zwei wesentliche Bereiche angegriffen, die das System zum Zwecke seiner identischen, ungestörten Fortführung tunlichst vom Einfluß des Volkes fernhält. Steuerverweigerung, im Sinne einer kritischen Einflußnahme auf staatliche Politik, zeichnet sich jedoch durch einige Besonderheiten aus, die auch für die Entwicklung der TKDV-Bewegung interessant sein dürften: Verglichen zur TKDV, die prinzipiell mit bis zu 5 Jahren Gefängnis bestrafbar ist, stellt Steuerverweigerung lediglich eine Ordnungswidrigkeit dar (ähnlich dem Falschparken). Hinzu kommt, daß das gesamte Verfahren für die Verweigerer von einer Vielzahl von Handlungsspielräumen gekennzeichnet ist. Allgemein gibt es zwei Szenarios: Mit dem Lohnsteuerjahresausgleich / Steuererklärung wird ein Antrag gestellt, eine Steuerzahlung zu ermöglichen, die sicher stellt, daß davon kein Geld für militärische Zwecke verwendet wird. Rechtsgrundlage dafür sind Art 4. Abs.1 GG in Verbindung mit §§ 227, 222, 163 Abgabenordnung (AO), die es ermöglichen, den strittigen Steueranteil aus Billigkeitsgründen ganz zu erlassen, zu stunden oder abweichend festzusetzen. Auf einen abschlägigen Bescheid kann mit Einspruch, Beschwerde oder einer Klage reagiert werden. Bei der zweiten Möglichkeit wird von einer direkt zu entrichtenden Steuer (z.B. KFZ-Steuer) der prozentuale Anteil des Verteidigungshaushaltes am Gesamthaushalt zurückgehalten und auf ein Sperrkonto überwiesen bzw. der Friedensarbeit o.ä. durch Spende zugeführt. Daran schließt sich gewöhnlich eine Pfändung an, gegen die wiederum gerichtlich vorgegangen werden kann. Wichtig an beiden Szenarios ist, daß der Verweigerer praktisch an jeder Stelle aussteigen kann, aber dennoch zu jedem Zeitpunkt Sand im Getriebe ist und damit die gewohnte Praxis der Steuerverteilung in frage stellt. Dies schafft Zugang zu einer völlig neuen Gruppe von Menschen. Nämlich zu diesen, die zwar pazifistisch denken aber aus Angst vor Sanktionen nicht danach handeln und zu jenen, die aufgrund ihres Alters von der einzigen Form öffentlicher aber staatlich intergrierter Pazifismusdemonstration, nämlich der (Totalen)Kriegsdienstverweigerung, ausgeschlossen sind. Desweiteren wird die Männer-Orientiertheit der gesamten (Anti)Militarismusdebatte abgebaut. Indem Steuerverweigerung auch Frauen einen Weg öffnet, sich öffentlich dem Militär zu verweigern, dies durch einen Akt zivilen Ungehorsams zum Ausdruck zu bringen wird auf den geschlechtsübergreifenden Charakter dieser Problematik aufmerksam gemacht und in diesem Sinne gehandelt. Ich habe versuch zu zeigen, daß es Parallelen zwischen der Friedenssteuerbewegung und der TKDV-Bewegung gibt. Beide sind Minderheitenbewegungen, welche die Anerkennung einer Gewissensentscheidung gegen die Unterstützung von Militär und Krieg fordern und scheitern damit regelmäßig an der strukturellen, existenznotwendigen Verschlossenheit des Systems gegenüber der Dekonstruktion seiner wesentlichen Grundpfeiler: Disziplin und Geld. Dies begründet aber gleichzeitig ihre potentielle Macht, über den langen Weg des zivilen Ungehorsam auf zwischenmenschlichen und -staatlichen Konfliktlösungsstrategien Einfluß zu nehmen. Voraussetzung dafür ist aber ein Bewegungs- verständnis, was nicht allein auf die Gewährung und rechtlicher Verankerung individueller Freiheitsrechte gerichtet ist, sondern die individuelle Forderung zum Werkzeug einer strukturellen Änderung macht. Die Friedenssteuerbewegung verfügt jedoch über ein weit größeres Potential, Menschen zu integrieren, da der Kreis der sich betroffen fühlenden Menschen weiter und die rechtlichen Konsequenzen kontrollierbarer sind. Eine Zusammenarbeit würde daher für beide Bewegungen eine nicht nur personelle sondern auch inhaltliche Ergänzung darstellen. Kriegssteuerverweigerung in der Geschichte (aus zivil 2, 98, 16f) Literatur:
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