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Aus Ausgabe 2-3/97 (September)Von "vollen Erfolgen" und "schuldhaften Verstrickungen"
Die Bombardierung Gernikas durch die deutsche Legion Condor jährte sich am 26 April 1997 zum sechzigsten Mal. Auch zu diesem Anlaß lehnten Bundesregierung und die CDU/CSU-FDP Mehrheit im Bundestag ein deutsches Schuldeingeständnis ab. Arne Behrensen faßt deutsche "Geschichtsaufarbeitung" zusammen. Francos Putsch gegen die Spanische Republik 1936 wäre ohne deutsche und italienische Hilfe wahrscheinlich erfolglos gewesen. Insgesamt etwa 16.000 (zur selben Zeit jedoch nie mehr als 6.000) Wehrmachtsangehörige waren in den Jahren 1936-39 als "Legion Condor" in streng geheimer Mission am spanischen Bürgerkrieg beteiligt. Die Legion Condor bestand im wesentlichen aus Luftwaffeneinheiten, die Franco nicht hatte und Göring einem Praxistest unterziehen wollte. Ihre erste Mission war die in Spanisch-Marokko festsitzenden Truppen Francos im bis dahin größten Lufttransportunternehmen der Geschichte auf das spanische Festland zu transportieren. Schreckliche Berühmtheit erlangte die Legion Condor (und die italienische Luftwaffe) durch gezielte Bombardements von Städten und Dörfern im Laufe des Bürgerkriegs. Erstmals in der Geschichte wurde die Terrorisierung der Bevölkerung durch Luftangriffe zum strategischen Ziel. Zuerst hatte vor allem die Bevölkerung Madrids unter den Luftangriffen, die hier im November ´36 ihren Höhepunkt erreichten, zu leiden. Die Basken, gerade von der republikanischen Regierung mit weitgehenden Autonomierechten ausgestattet, kämpften geeint wie kaum eine andere Region an der Nordfront gegen die Putschisten. Die deutsche Legion Condor erhielt für die im Frühjahr 1937 erfolgte Offensive im Norden die volle Befehlsgewalt in der Luft, war also den Italienern übergeordnet und nur noch Franco persönlich verantwortlich. Der Vormarsch der Putschisten auf dem Boden wurde durch Luftangriffe auf ungeschützte Orte begleitet. In einer baskischen Stadt war die Zahl der dabei Getöteten und das Ausmaß der Zerstörung besonders hoch: in Gernika (baskische Schreibweise). Gernika mit damals etwa 6.000 Einwohnern war seit Jahrhunderten Symbol baskischer Autonomie, hier stand das Nationalheiligtum, die "baskische Eiche". Diese Stadt wurde am 26. April 1937 dreieinhalb Stunden lang von deutschen und italienischen Flugzeugen bombardiert, auf fliehende Menschen wurde mit Maschienengewehrsalven Jagd gemacht. 71% der Gebäude waren völlig zerstört, 7% schwer beschädigt. Die Zahl der Toten gab die baskische Regierung mit 1.645 an. Legion Condor-Oberst Jaenecke beurteilte das Bombardement folgenderweise: "An und für sich war Guernica ein voller Erfolg der Luftwaffe". Die Grausamkeit der Bombardierung erzeugte Entsetzen im In- und Ausland, so daß die Putschisten die Notlüge in die Welt setzten, "die Roten" hätten Gernika beim Rückzug zerstört. Unter Francos Herrschaft war die Bombardierung Gernikas ein Tabuthema. Daß Gernika zum Symbol für die Schrecken faschistischen Luftterrors wurde, liegt neben dem besonderen Ausmaß des Bombardements und der historischen Bedeutung Gernikas für die baskische Autonomie an dem erschütternden Bild "Gernika", welches Picasso für den Pavillon der spanischen Republik auf der Pariser Weltausstellung 1937 malte. In Deutschland wurden die Soldaten der Legion Condor am 6. Juni 1939 in Berlin mit einer Siegesparade von Hitler als "tapfere Vollstrecker meines Auftrags" empfangen. Der Spanien-Einsatz mußte angesichts der gestärkten Position Deutschlands nicht mehr verschwiegen werden. In der BRD spielten Gernika und die deutsche Schuld lange kein Thema. Führende Angehörige der Legion Condor machten Karriere in der Bundeswehr. Krassestes Beispiel: Heinz Trettner, als Staffelkapitän an der Bombardierung Gernikas beteiligt, wurde dritter Generalinspekteur der Bundeswehr. Die Bundeswehrkasernen in Braunschweig und Visselhövede sind bis heute nach dem erfolgreichsten Jagdflieger der Legion, Werner Mölders, benannt. Seit 1980 bemüht sich eine baskische Bürgerkommission um eine Versöhnungsgeste der Bundesregierung. Diese zeigte sich jedoch trotz nach einiger Zeit erfolgtem Eingeständnis einer "moralischen Dimension" nicht willig, aktiv zu werden. Erst im Rahmen des fünfzigsten Jahrestages der Bombardierung beschäftigte sich der Bundestag auf Antrag der Grünen-Abgeordneten Petra Kelly im Mai 1987 mit Gernika. Das von den Grünen geforderte Schuldeingeständnis war allerdings nicht durchsetzbar. Im November 1988 stimmte der Bundestag folgender von der CDU/CSU formulierten Erklärung zu: "Im Jahre 1987 waren 50 Jahre vergangen seit der Zerstörung der baskischen Stadt Guernica durch einen Bombenangriff der Legion Condor. Die Opfer der wehrlosen Zivilbevölkerung mahnen zu einer Geste des Friedens." Die Bundesregierung wurde aufgefordert "einen angemessenen Betrag im Bundeshaushalt vorzusehen." Der "angemessene Betrag" schrumpfte schließlich von 12-13 Millionen DM, die zur Errichtung eines 37 Millionen DM teuren Berufsbildungszentrum in Gernika beigetragen werden sollten, im November 1996 auf eine Summe von 3 Millionen DM zur Mitfinanzierung eines Sportzentrums. Insbesondere der CSU Abgeordnete Erich Riedl tat sich damit hervor das Projekt zu torpedieren. Die Zerstörung Gernikas sei Folge von "ungünstigen Windverhältnissen", "Sichtbehinderung" und "unzureichender Zieltechnik" gewesen, eigentlich sei nur die Zerstörung einer Brücke am Rande Gernikas geplant gewesen. Diese Interpretation des Angriffs stützt sich auf die Arbeit von Klaus A. Maier vom Militärgeschichtlichen Forschungsamt. Doch so ziemlich das einzige was bei dem Angriff auf Gernika nicht zerstört wurde war: die Brücke. Wenn man dazu noch die Worte des Legionskommandeurs von Richthofen, der trotzdem von einem "vollen technischen Erfolg" sprach und die gezielte Menschenjagd mit MG-Feuer betrachtet, kann man nicht wie Maier von bewußter Inkaufnahme von zivilen Opfern oder gar wie Riedel von einem Unfall sprechen. Aus Anlaß des sechzigsten Jahrestages bildete sich in Berlin eine Initiative "60 Jahre Gernika Gegen das Vergessen" (IG Medien Berlin, Internationales Auschwitz-Komitee, Aktion Sühnezeichen). Sie sprach von einer "Geste der Peinlichkeit", zu der die "Geste des Friedens" verkommen sei. Sie forderte Bundestag und -regierung auf, ein Schuldbekenntnis zu Gernika als "deutschem Projekt", als gezieltem Angriff auf die Zivilbevölkerung abzugeben. Ein von der Initiative ausgerichtetes hervorragend besetztes internationales Symposion zu Gernika in Berlin vom 11-13. April 1997, blieb ohne große Resonanz. Bundespräsident Roman Herzog, Bundestagspräsidentin Rita Süsmuth und Bundesverfassungsgerichtspräsidentin Jutta Limbach lehnten eine Übernahme der Schirmherrschaft ab. Der Bundestag beschäftigte sich auf Antrag der Opposition am 24. April 1997 mit der Bombardierung Gernikas, oder besser gesagt, er lehnte eine Debatte mit den Stimmen der Koalition ab. Joachim Hörster (CDU) argumentierte, zur Erinnerung an die Opfer des NS habe man doch den 27. Januar und auch Jörg van Essen (FDP) meinte: "Es gibt keine aktuell zu beredenden Probleme". Der Antrag von SPD und Bündnis 90/Grüne, der eine "Entschuldigung für dieses Verbrechen" enthielt wurde mit den Koalitionsstimmen abgelehnt. Nun fühlte sich Bundespräsident Roman Herzog anscheinend verpflichtet, die Blamage, den sechzigsten Jahrestag von offizieller deutscher Seite her einfach verstreichen zu lassen, abzuwenden. Vom deutschen Botschafter in Madrid ließ er bei der offiziellen Gedenkfeier in Gernika am 27. April 1997 ein Grußwort verlesen. Der zentrale Satz daraus lautet: "Ich möchte mich der Vergangenheit stellen und mich zur schuldhaften Verstrickung deutscher Flieger ausdrücklich bekennen." Das ist das erste Schuldeingeständnis von offizieller deutscher Seite. Allerdings ist der Ausdruck "schuldhafte Verstrickung" angesichts der alleinigen Verantwortung der Legion Condor für den Angriff verharmlosend. Kein Wort auch zur grundsätzlich völkerrechtswidrigen Intervention NS-Deutschlands im spanischen Bürgerkrieg zugunsten der Putschisten und zum Charakter der Bombardierung Gernikas als gezieltem Angriff auf die Zivilbevölkerung. Der Grund aus dem Herzog nicht selber zu den Feierlichkeiten nach Gernika fuhr (wenn er es überhaupt in Betracht zog) ist, daß er am selben Tag im Berliner Hotel Adlon seine "Berliner Rede" hielt, die ein Taz-Kommentator sinngemäß so zusammenfaßte: "Ich kenne keine Parteien mehr, sondern nur noch (innovative) Deutsche." |
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